liefern

Irgendwas muss ich liefern, ich weiss nur nicht, was. Ich könnte Berge von Nägeln darüber zerkauen. Das gab es lange nicht mehr. Ich hatte das lange nicht. Das Wort „lange“ klingt erstmal interessant, dann jedoch fällt sein verheissender Ton ab und es wird zu so etwas wie Müsli von Aldi. Lange, lange, lange. Und „komisch“ – das ist auch so ein unreflektiertes Wort, aber ich komme nicht darüber hinweg. Ich könnte ja liefern, es ist nicht so, dass ich nichts liefern könnte. Nur die große Frage ist, was. Ich könnte einerseits dies und das liefern. Und wie es dann ankäme, das wäre mir egal. Auch meine anderen Lieferungen wären sicherlich nicht ganz schlecht. Kritik daran, eine mögliche, vielleicht sogar hämisch vorgetragen, würde mich zwar durchaus beschäftigen, jedoch nicht mehr erschüttern. Ich möchte einfach gerne dringend etwas liefern. Schon länger. Aber ich weiss nicht, was. Und dann, beim Betrachten von Septemberbildern des Engadins, Maloja und Sils Maria und die bekannten und irgendwie vertrauten Berge, Täler und Seen, da wird es mir nun so warm um irgendeinen anderen verborgenen Herzkranz, dass es mich selbst fast erstaunt. Das erste Mal war ich dort vor fünfundvierzig Jahren. Zuletzt war ich dort im Spätsommer vor acht Jahren, um ihr, der Kirschkern, die richtig großen Berge zu zeigen. Wie gerne würde ich mich ins Engadin zurückziehen, um von dort aus – vielleicht schon lange – endlich zu liefern.

Erzähl mir Nichts! /Novelle Moabit

„Erzähl mir nichts!“ – Ein Abend mit Pilz, Text und Ton. / Herzliche Einladung für den 14. September 2016 ab 19.30 Uhr zu einem gewiss unvergesslichen Abend in die Galerie Nord/Kunstverein Tiergarten. Es wird gelesen, erzählt, musiziert und moderiert. Dazu gibt es Pilzsuppe, welche Gaumen und Bewusstsein erweitert. Pilze führen bekanntlich zu Visionen, und Visionen sodann zum Erzählen. / Der Abend, moderiert von Alban Nikolai Herbst, begleitet die Ausstellung „Novelle“, diese noch zu sehen bis zum 24. September, mit 8 erzählenden Positionen der Bildenden Kunst von:

Martina Altschäfer, Klaus Mellenthin, Uwe Schäfer, Phyllis Kiehl, Majla Zeneli, Matthias Beckmann, Caro Suerkemper und Sebastian Rogler.

Mehr hier: >>> http://www.kunstverein-tiergarten.de/?cat=ausstellung&id=140

Kunstverein Tiergarten | Galerie Nord, Turmstraße 75, 10551 Berlin, Ruf: (030) 9018–33453, Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 13-19 Uhr

sense.

Wie konnte jemals irgendjemand auf die Idee kommen, viereckige Teller mit hochgebogenen Ecken überhaupt erst zu denken, dann zu entwerfen, und dann jene sogar massenhaft zu produzieren? Und damit reich werden.

Die Minifliege, die meinen Salat am letzten Mittwoch oder Donnerstag auf einem solchen Teller umkreiste, habe ich verschont, überall ist ja Schöpfung drin und ich wollte mich gewiss noch niemals aufspielen. Fast schon vielleicht etwas zu zärtlich und zugewandt der Fliege dann bedeutet, den Luftraum um meinen Salat zu verlassen. Durch freundliches Hauchen, durch etwas Pusten. Man solle nun aber, las ich, im Herbst zum Beispiel die Wespen auf Essen und Kuchen nicht anpusten, da der dann erhöhte Kohlendioxidgehalt der Luft jene angeblich aggressiv machen würde. Auch hier also eine komische Dramaturgie von Unterordnung, stockholmschem Opferwillen und schräger Akzeptanz des Vorgegebenen. Irgendwo ist dann aber auch mal die Sense. Dachte ich.

Und wegen der Sense sodann: Meine nächste pointierte Intimrasur will ich nun mit einem altmodischen Rasiermesser durchführen, während Rezitation eigener geleierter Aphorismen. Aphorismen und Hühnerpressfleisch aus Krisengebieten. Man sollte nicht über alles immer lachen.

Weiterhin das Vorhaben, künftig in analog und prekär ausgetragene Konfliktsituationen mit voller Granate und furchtlos komplett hineinzugehen. Sehr körperlich präsent, so gut es eben geht, ein Gebot des Alters wahrscheinlich einfach und der derzufolgenden Weisheiten. Nach siebzig Jahren des Friedens haben wir viel gelernt und genausoviel verlernt. Der humorvolle sächsische Steinmetzmeister – einst für den sozialistischen Boxkader angefragt – meinte neulich gütig beim Tee, die jungen Menschen haben hier und heute das Sich-Schlagen verlernt. Er bedauere das. Vielleicht sei das ja der Grund für allzu grausam gewalttätige Auswüchse im späteren jungerwachsenen Alter. Eine nie grundauf erlernte Beisshemmung.

Eine grundsätzlich ähnlich kühne Richtung weisen nunmehr die ekelhaften Gräuelbilder auf Zigarettenschachteln. Auch der europäisch ungehinderte Aufdruck dieser, so dachte ich gestern beim Aufwachen aus einem grundpositiven Mittagschlaf, sind im Grunde eine bodenlose Anmaßung und Unverschämtheit. Und woher das alles kommt, diese werteverändernden Schieflagen.

Schön aber auch, dass sich manche Kreise auch schließen können, denn die Kirschkern wird ab dem kommenden Freitag bei ihrem Vater am Waldrand wohnen und ebendort ihr letztes Schuljahr absolvieren. Das macht sehr glücklich und stimmt milde und von daher sind mir in diesen Tagen viereckige Teller egal, waren sie mir eigentlich schon immer, letztlich genaugenommen.