verzweigelt

In der Kirche wird es jetzt wieder kälter. Ungewöhnlich für die Jahreszeit. Der Weinhändler überlegt, Glühwein auszuschenken. Wir überlegen beim Weinhändler, ob wir ein Kerzlein anzünden und Lebkuchen essen. Vor einem Jahr, erzählt der Weinhändler, habe er schon 25 mal Außenbestuhlung gehabt, er hat es sich notiert. Heute 7 Grad, wie an Weihnachten im letzten Jahr, wir überlegen, ob wir Bescherung beim Weinhändler machen mit Geschenken und Liedersingen. Das Schlimmste aber: Über das Wetter zu reden und zu schreiben, so die Runde einvernehmlich beim Weinhändler. Ich habe mir eine Kiste Blauen Zweigelts mitgenommen und auf dem Fußweg nach Hause gleich im Wagen deponiert. Draußen haben währenddessen zwei Polizisten den rotmetallischen Jaguar des netten Immobilienmaklers aufgeschrieben, er hatte im Halteverbot geparkt, um noch schnell beim Weinhändler ein Glas Blauer Zweigelt zu nehmen. Alle beim Weinhändler trinken gerade den Blauen Zweigelt, alle Männer jedenfalls, und alle, auch die Damen, schimpfen über das Wetter. Auf dem Heimweg vom Wagen in die Gasse fällt mir dieses schöne Lied wieder ein:

das feuerzeug mit dem nackigen motorradbrautaufdruck ist jetzt leer. heute eines gekauft, worauf in großbuchstaben „FRANKEN“ geschrieben steht. mein zippo liegt benzinlos in nkn. die C. hat sich gemeldet und will einer florentinischen sammlerin arbeiten zeigen. eine neue kleine malerei bei einem wettbewerb ausjuriert worden, tja. um 17.00 uhr findet täglich eine kurzandacht statt, so dass die in der kirche arbeitenden um 16.50 uhr jene verlassen müssen. um 18.00 uhr wird geschlossen, daher lohnt nicht die wiederaufnahme der tätigkeiten nach ende des gottesdienstes. die kleine wohnung behalte ich als atelier pour zeichnung und als liebesnest. das wetter wird erst wieder besser werden, wenn der letzte deutsche soldat aus afghanistan abgezogen ist. das malatelier nach süden, nach NUL. war nicht bei frida kahlo, da schlange zu lang. dafür bei olafur eliasson, schlange naja. ich finde, zu viel phänomenerlebnispark. phänomenezeigen reicht mir aber nicht, da muss doch irgendwie noch was zu. mir fehlte der kommentar. schönste arbeit: der große tisch mit den unzähligen kleinen modellen darauf. bei der betrachtung dieser von strenger aufsicht gelernt: „man darf sich im museum nicht b ü c k e n!“

vintage

P1040131

Ich habe mal, mit ungefähr 13, ein kleines kind aus einem bach gerettet, welches dort ertrinken wollte. Ich sahs, sprang in voller kleidung in jenen bach und zog es heraus. Das war in der nähe von lübeck, genauergesagt in klein-parin, während eines sommerurlaubes auf dem weiten land mit den fürs süddeutsche so ungewöhnlichen kornfeldern bis an den horizont. So richtig gedankt hat es mir keiner damals, ich war plitschnass, aber alle hielten diese rettung wohl für selbstverständlich, dann mussten sie wenigstens nicht selber springen, die erwachsenen. Das kleinkind war noch zu jung, um es mir zu danken. Dort auch beim bohnenpflücken auf dem großbäuerlichen acker 4 mark verdient in der stunde im warmen sommer und abends angst gehabt vor dem schrumpfkopf, der auf der kommode im dachgeschoss lag. Dort übrigens auch erstmals mit einem traktorrasenmäher 4 mark die stunde verdient, die tante war reich und hatte ein parkähnliches grundstück. Dort auch – mir erinnert es sich jetzt – das vielleicht erste mal verliebt gewesen. sie war die tochter von einem bundeswehrmenschen. Ich sah sie, bemerkte irgendwas göttliches, danach sah ich sie nie wieder, aber ich dachte noch 8 wochen an sie mit einem guten gefühl im bauch. Ab da wusste ich, was liebe ist.

Ungefähr 5 jahre später ist dann, als ich endlich mit g. in der badewanne saß (ihre eltern in urlaub), der volle aschenbecher in die badewanne gefallen und alles schwamm zwischen uns. Dabei hatte ich mir den abend ganz anders vorgestellt. Das kichern war damals weit wichtiger, als ein unbeholfener beischlaf. Sage ich heute.

Die kunst ist irgendwie halbtot, sie muss sich erst wieder mit dem kakaoleben verquicken. Das tut sie gerade, behutsam (immerhin gibt es wichtigeres, als die kunst). Aber erstmal saftig. Geradezu ergötzen! Ich kenne einen, der heißt götz. Er hat einen zungenfehler: er nennt sich ‚götchsch’. Seine eltern haben ihm diesen namen gegeben, sie hätten ihn auch kurt oder arndt nennen können, aber da wussten sie ja auch noch nichts von seinem zungenfehler (tchungenfehler). Solche sachen. Als wir, er, götchsch und der tierarztkumpel und ich, auf dem neckar rudern waren, da kamen drei große siebzehnjährige in einem anderen boot und haben uns mit ihrem einen ruder nassgespritzt. Daraufhin haben wir sie natürlich auch mit dem einen ruder nassgespritzt. Daraufhin haben sie unser boot geentert, götz geohrfeigt, woraufhin seine brille ins wasser fiel und der tierarztkumpel und ich rettungstätig wurden, der tierarztkumpel dergestalt, dass er an land rannte, um hilfe zu holen und ich, empört wie ich war, dem götzohrfeiger ebenfalls eine ohrfeige rechts verpasste. Im selben moment wusste ich, dass das ein fehler gewesen war. ich rannte noch um mein leben, aber der 17-jährige erwischte mich an der böschung zur brücke und bog mir die finger um (so dass es knackste) und schlug mir ins gesicht. oben auf der brücke die desinteressierten passanten, ach, hätte ich wenigstens unter ihre weiten röcke geschaut, aber die nase tat zu sehr weh. Ich hatte also zurückgespuckt, zwar ohne chance, aber ich bin bis heute stolz darauf. Götzens brille haben wir nie wiedergefunden, ebenso wenig die damaligen täter. Den bootsverleih interessierten die vorgänge nicht, das hatte der tierarztkumpel herausbekommen, als er schnaufend zurückkehrte und mich mit blutender nase, götz mit fehlender brille, uns alle jedoch auch seelisch wohlbehalten vorfand. Wir schworen uns irgendetwas grundsätzliches ob dieser ungerechtigkeiten.

Und Anderswo wird auf teufel komm raus die kunst beschworen. Je häufiger man sie ausspricht und sie als solches bezeichnet, desto wahrer muss sie sich wohl einstellen. Ich werde nicht recht warm in diesem leben mit diesem koketten wörtchen, vielleicht ists ja nur der klang. ernst impliziert lust. Zur lust muss man ja auch erst einmal fähig sein. wichtigkeit ist vermeintlich. Und wer krank ist (schnupfen zb.), der kann nicht wichtig sein. jeder, der mal schnupfen hatte, weiß das. deshalb gehen schnupfen ja auch oft vorrüber, das ist die aufgabe von schnupfen. Was zählt, das ist der rotz (zum einen) und eine frei nase im habitus.

Ich habe neulich abend zusammen mit der alten dame den ersten teil der ‚anonymus’geschichte ferngesehen. Da sitzt sie dann in ihrem achtzigjährigen sessel und schweigt und schläft nicht ein, wie sonst so oft. Sie, die sie damals gerade 17 jahre alt war, ist dem allem durch überaus glückliche zufälle entschlüpft. Sie erwähnt jedoch eine berliner schulkameradin, deren mutter beschloss, zusammen mit der tochter den freitod zu wählen, angesichts der soldatesken bedrohung. So, wie sie mir 93 im oblast-kaliningrad mitteilte, dass die metzgersnachbarn („die hatten einen hund, einen boxer?, der hieß ‚Bofke’…“) von den russischen beseitigt wurden, Während sie, die alte dame, noch kurz zuvor verpflichtete minen putzte in pillau/baltisk und ihr abitur in königsberg nebenbei ablegte, dem letzten… eisfreien hafen.

Letzte eisfreie häfen und die vom programm selbstgewählte rechtschreibprüfung. Ich lasse die durchmischte groß- und kleinschreibung oft – sozusagen semizeichnerisch – gerne so stehen. selbstgewählte zufälle eben oder performative felderforschungen. Die ganz großen anführungszeichen vorne und hinten, denn nichts ist halbwahr. Und zu „skrotum“ fällt mir lediglich „hodenbänkchen“ ein, das wäre ja eher so ein begriff für mich und meine vielschichtigen beschäftigungen jenseits des intellekts. Ebenso „netzkunst“. Siehe ‚frieder rusmann’. Oder johannes auer. Wir hatten unseren krieg (leider), aber auch unseren spaß (gottlob), vorher.

Der mann hat zweifelsohne die maschine erfunden, um schneller bei der frau zu sein mit den schönen händen mit adern dran (o.ä.). Ich habe nie etwas erfunden, ach wo, und ich kokettierte auch never.