vintage

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Ich habe mal, mit ungefähr 13, ein kleines kind aus einem bach gerettet, welches dort ertrinken wollte. Ich sahs, sprang in voller kleidung in jenen bach und zog es heraus. Das war in der nähe von lübeck, genauergesagt in klein-parin, während eines sommerurlaubes auf dem weiten land mit den fürs süddeutsche so ungewöhnlichen kornfeldern bis an den horizont. So richtig gedankt hat es mir keiner damals, ich war plitschnass, aber alle hielten diese rettung wohl für selbstverständlich, dann mussten sie wenigstens nicht selber springen, die erwachsenen. Das kleinkind war noch zu jung, um es mir zu danken. Dort auch beim bohnenpflücken auf dem großbäuerlichen acker 4 mark verdient in der stunde im warmen sommer und abends angst gehabt vor dem schrumpfkopf, der auf der kommode im dachgeschoss lag. Dort übrigens auch erstmals mit einem traktorrasenmäher 4 mark die stunde verdient, die tante war reich und hatte ein parkähnliches grundstück. Dort auch – mir erinnert es sich jetzt – das vielleicht erste mal verliebt gewesen. sie war die tochter von einem bundeswehrmenschen. Ich sah sie, bemerkte irgendwas göttliches, danach sah ich sie nie wieder, aber ich dachte noch 8 wochen an sie mit einem guten gefühl im bauch. Ab da wusste ich, was liebe ist.

Ungefähr 5 jahre später ist dann, als ich endlich mit g. in der badewanne saß (ihre eltern in urlaub), der volle aschenbecher in die badewanne gefallen und alles schwamm zwischen uns. Dabei hatte ich mir den abend ganz anders vorgestellt. Das kichern war damals weit wichtiger, als ein unbeholfener beischlaf. Sage ich heute.

Die kunst ist irgendwie halbtot, sie muss sich erst wieder mit dem kakaoleben verquicken. Das tut sie gerade, behutsam (immerhin gibt es wichtigeres, als die kunst). Aber erstmal saftig. Geradezu ergötzen! Ich kenne einen, der heißt götz. Er hat einen zungenfehler: er nennt sich ‚götchsch’. Seine eltern haben ihm diesen namen gegeben, sie hätten ihn auch kurt oder arndt nennen können, aber da wussten sie ja auch noch nichts von seinem zungenfehler (tchungenfehler). Solche sachen. Als wir, er, götchsch und der tierarztkumpel und ich, auf dem neckar rudern waren, da kamen drei große siebzehnjährige in einem anderen boot und haben uns mit ihrem einen ruder nassgespritzt. Daraufhin haben wir sie natürlich auch mit dem einen ruder nassgespritzt. Daraufhin haben sie unser boot geentert, götz geohrfeigt, woraufhin seine brille ins wasser fiel und der tierarztkumpel und ich rettungstätig wurden, der tierarztkumpel dergestalt, dass er an land rannte, um hilfe zu holen und ich, empört wie ich war, dem götzohrfeiger ebenfalls eine ohrfeige rechts verpasste. Im selben moment wusste ich, dass das ein fehler gewesen war. ich rannte noch um mein leben, aber der 17-jährige erwischte mich an der böschung zur brücke und bog mir die finger um (so dass es knackste) und schlug mir ins gesicht. oben auf der brücke die desinteressierten passanten, ach, hätte ich wenigstens unter ihre weiten röcke geschaut, aber die nase tat zu sehr weh. Ich hatte also zurückgespuckt, zwar ohne chance, aber ich bin bis heute stolz darauf. Götzens brille haben wir nie wiedergefunden, ebenso wenig die damaligen täter. Den bootsverleih interessierten die vorgänge nicht, das hatte der tierarztkumpel herausbekommen, als er schnaufend zurückkehrte und mich mit blutender nase, götz mit fehlender brille, uns alle jedoch auch seelisch wohlbehalten vorfand. Wir schworen uns irgendetwas grundsätzliches ob dieser ungerechtigkeiten.

Und Anderswo wird auf teufel komm raus die kunst beschworen. Je häufiger man sie ausspricht und sie als solches bezeichnet, desto wahrer muss sie sich wohl einstellen. Ich werde nicht recht warm in diesem leben mit diesem koketten wörtchen, vielleicht ists ja nur der klang. ernst impliziert lust. Zur lust muss man ja auch erst einmal fähig sein. wichtigkeit ist vermeintlich. Und wer krank ist (schnupfen zb.), der kann nicht wichtig sein. jeder, der mal schnupfen hatte, weiß das. deshalb gehen schnupfen ja auch oft vorrüber, das ist die aufgabe von schnupfen. Was zählt, das ist der rotz (zum einen) und eine frei nase im habitus.

Ich habe neulich abend zusammen mit der alten dame den ersten teil der ‚anonymus’geschichte ferngesehen. Da sitzt sie dann in ihrem achtzigjährigen sessel und schweigt und schläft nicht ein, wie sonst so oft. Sie, die sie damals gerade 17 jahre alt war, ist dem allem durch überaus glückliche zufälle entschlüpft. Sie erwähnt jedoch eine berliner schulkameradin, deren mutter beschloss, zusammen mit der tochter den freitod zu wählen, angesichts der soldatesken bedrohung. So, wie sie mir 93 im oblast-kaliningrad mitteilte, dass die metzgersnachbarn („die hatten einen hund, einen boxer?, der hieß ‚Bofke’…“) von den russischen beseitigt wurden, Während sie, die alte dame, noch kurz zuvor verpflichtete minen putzte in pillau/baltisk und ihr abitur in königsberg nebenbei ablegte, dem letzten… eisfreien hafen.

Letzte eisfreie häfen und die vom programm selbstgewählte rechtschreibprüfung. Ich lasse die durchmischte groß- und kleinschreibung oft – sozusagen semizeichnerisch – gerne so stehen. selbstgewählte zufälle eben oder performative felderforschungen. Die ganz großen anführungszeichen vorne und hinten, denn nichts ist halbwahr. Und zu „skrotum“ fällt mir lediglich „hodenbänkchen“ ein, das wäre ja eher so ein begriff für mich und meine vielschichtigen beschäftigungen jenseits des intellekts. Ebenso „netzkunst“. Siehe ‚frieder rusmann’. Oder johannes auer. Wir hatten unseren krieg (leider), aber auch unseren spaß (gottlob), vorher.

Der mann hat zweifelsohne die maschine erfunden, um schneller bei der frau zu sein mit den schönen händen mit adern dran (o.ä.). Ich habe nie etwas erfunden, ach wo, und ich kokettierte auch never.

19 Gedanken zu „vintage“

  1. isch liebe ja diese kaleidoskope… da von ihnen.
    und ihre kunst.
    und die boxer, die alte dame und die schlägerei am fluss.
    wunderbare gute-nacht-lektüre…
    *kauend*

  2. REPLY:
    ein schönes sägewerk! (ich habe das wörtchen übrigens vom sitznachbarn während einer blog- und twitterlesung zugesprochen bekommen, der dieses erstaunt über mein mobiltelefon (Bj. 2001) fallen ließ.)

  3. gedankt hat’s mir auch niemand, dass ich zweimal dieselbe person im abstand von zwei jahren vor dem sicheren flammentot bewahrt habe, aber ich danke ihnen, lieber schneck für den hinweis auf rusmann/auer!

  4. REPLY:
    Lieber Schein, alte Geschichten eben, Schwarm drüber (wie Frau Phyllis ganz richtig sagt!). Aber was war das mit dem fast zweimaligen Flammentod? Eine Allegorie?

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