schwere jungs /feige hund‘

man hört immer den wind leise durch den kamin ziehen. auch wenn zentralheizung ja von vorteil, so ist das sehr schön hier mit dem holz und den kohlen. die kleine wohnung ist umbaut, es wird nicht richtig kalt, so hoffe ich. an den kacheln habe ich mir eine kleine gemütliche ecke eingerichtet, mit kissen auf dem boden und angenehmer beleuchtung. zuletzt hatte ich diese dinge im oberschwäbischen, wo allerdings der wind ums haus blies und der schnee die dünnen wände weiß machte. wir haben dort oft einen heißen stein ins bett gelegt, wenn wir in die kneipe ins nachbardorf zum saufen gefahren sind. einmal hat fast das bett gebrannt, als wir zurückgekommen sind und der hund wäre beinahe erstickt (gewesen). /ich bin also eingeladen zum mittagsessen bei den nebenerwerbsbauersleuten, deren ferienwohnung wir zum zwecke der arbeit beleben. drei generationen speisen unter einem dach, und als ich mich bei selbstgefischter makrele aus norwegen erkundige, woher denn die kleinen löcher an der steinernen nordfassade der kleinen kirche stammen (ich habe eine unbestimmte ahnung…), da meldet sich der großvater zu wort mit blinzelnden augen. „die amis, die feige‘ hund‘!…“ postuliert er und er erzählt daraufhin, wie sich damals noch „sechs ss-leut‘, allesamt junge burschen…“, im dorf verschanzt hätten, während schon die amerikaner mit zwei panzern am gegenüberliegenden hang des kleinen flußtales standen oder lagen. die deutschen hätten dann noch überflüssigerweise die kleine brücke gesprengt, die amerikaner ihrerseits sodann aus vollem rohr den flecken beschossen. eine hopfenscheune, uralt, mit neun stockwerken, habe lichterloh in flammen gestanden, die kühe seien verbrannt und zwei pferde, deren gerippe im stall dann, als man es berührte, zu asche zerfiel. die kirche habe auch etwas abbekommen, das könne man heute noch am dachboden sehen (der mesner bestätigt dies am folgenden tage) und allseits seien die maschinengewehre gebraucht worden, daher die löcher in den uralten steinen der kirche, nächst den zangenlöchern. die jungen burschen hätten im hof gegenüber noch einen presssack zum mittag bekommen, seien dann in den wald oberhalb des dorfes geflüchtet, wo sie von den feigen hunden abermals aus dem panzer beschossen wurden. die älteren bäume, die dort in unserer zeit gefällt würden, die könne man bis heute nicht durch die säge lassen, denn sie seinen immer noch von metallenen splittern durchsetzt und somit lediglich zum brennholz zu gebrauchen. über das weitere schicksal der feigen hunde sowie der jungen burschen ist nichts überliefert. er selbst sei im lazarett auf sylt gewesen, kein preuße habe seinen dialekt verstanden, aber die menschen dort oben hätten die jungen mädchen als „lütje deerns“ bezeichnet. zum nachtisch pudding mit eigenen kirschen, der oheim zwinkert über die deerns, eine herzliche einladung zum mittagessen am folgetag mit dann eigenem hühnchen zu eigenem kraut und eigenen kartoffeln und eigenem rotkraut. /der rote einjährige hofkater wird in der nächsten woche kastriert werden (meint die bäuerin lächelnd), die vier truthähne sind inzwischen geschlachtet, der mann sei zum rangieren im schichtdienst auf dem güterbahnhof, der eine sohn in sanitär, der andere als formenbauer, sie selbst habe MS, aber das würde man nicht sehen, sondern nur ihrer sprache anmerken, sie spreche meist ab mittag zu schnell (und dazu im dialekt) und müsse sich daher am frühen nachmittag für neunzig minuten ausruhen jeden tag, anfangs dachten die ärzte, es sei ein schlaganfall gewesen, aber nein. /derweil es kälter wird in der kirche, jetzt laufen die großen generatoren täglich und über stunden, aber mit umsicht ist darauf zu achten, die klimatischen verhältnisse der passion sowie des heiligen georg und des christophorus (oder doch noah?) nicht über gebühr zu verstören. und gleichzeitig ist nun auch zu überlegen, wie möglicher künstlerischer sachverstand resozialisierend einzusetzen wäre künftig, dies jedoch auf den rieselfeldern südlich von berlin und für ein (wirklich) völlig anderes klientel.

3 Gedanken zu „schwere jungs /feige hund‘“

  1. Ich mag sie, die Alten. Auch ihren Enthusiasmus und ihre Treue zum Vaterland. Sie lebten in einer anderen Zeit unter gänzlich anderen Bedingungen. Aber ich mag sie, die Alten …

    … und deren Erzählungen.

Schreibe einen Kommentar zu schneck Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert