PK 50

Vespa PK 50

(…)

Heute abgeholt. Getauscht gegen ein Bild. Bin noch völlig vernebelt im Glück. Es ist das erste hobbyistische Eigenevent seit langer Zeit. Der erste Luxus gewissermaßen, herrlich überflüssig im Grunde, jenseits von Familiensachen, Kunstsachen und Erwerbssachen. Weitab und fern von Notwendigkeiten. Getauscht gegen ein Bild, eine Zeichnung, vielleicht zwei Zeichnungen, die es wahrscheinlich schon gibt, aber die noch nichts wissen von ihrem italienischen Glück. Gute Freunde machen möglich. Ich freu’ mich riesig über so ein Salz.

Die stand lange in einem überdachten Schuppen, der jetzt ein wenig entrümpelt werden soll. Ist einwandfrei angesprungen nach Jahren und hat heute schon ein paar illegale Runden hinter sich, aber immerhin mit einem geliehenen Helm. Modell und Baujahr sind mir schleierhaft, ich glaube, das ist ein zusammengeschustertes Exemplar. Vielleicht ein modifizierter Import. Ich hatte mir damals, mit sechszehn, von der über Jahre aufgelaufenen Halbwaisenrente eine Vespa 50 Spezial gekauft, das war 1977, die hatte aber schon einen rechteckigen Tachometer und Blinker an den Enden der Lenkstange. Dafür waren die Kotflügel noch weichförmiger, wie in den 1960er Jahren. Das jetzige Exemplar scheint eher um 1980 produziert zu sein, einige Teile sind schon aus Plaste, dennoch hat sie aber einen runden, also älter anmutenden Tacho. Aber jegliche Blinker fehlen, trotzdem ein Blinkgeber vorhanden ist.

Als erstes müssen die Reifen mitsamt Schläuchen erneuert werden. Dann muss das mit den Blinkern geklärt werden, das braucht einen Spezialisten, der sich auskennt mit Baujahren und Bestimmungen. Ich denke, ich möchte wieder welche haben. Dazu Helmkauf, ich habe schon lange keinen mehr, für mich und die Kirschkern. Die Köchin hat noch einen, sagt sie, die Köchin ist sowieso ein echter Vespa-Typ. Ich freu mich schon auf die erste Fahrt mit ihr in die gepflegte Umweltzone der naheliegenden grün regierten Fahrradstadt. Zum Cafetrinken, mit Zweitaktstinker, mitten rein.

Dann gibt es ein Problem im mittleren Drehbereich, irgendwie säuft sie kurz ab bergan, man muss die Kupplung feinfühlig betätigen, sehr hochtourig, dann zieht sie aber wieder. Der Tank zeigt innen etwas Rost, aber bisher läuft noch alles. Mittelfristig muss wohl über einen neuen Tank nachgedacht werden, der dann aber auch nicht die Welt kosten würde. Das Schloss der Rückbank mitsamt Verriegelung ist malade, aber das gäbe es alles im Ersatzteilhandel. Sagt der Freund. Und so weiter. Vieles sind Nebensächlichkeiten.

Das nächste ist demnächst dann die Anmeldung. Kein TÜV, nur Versicherung. Die Papiere sind rührend, abgegriffen von mannigfachen Besitzerwechseln, unvollständig und weisen mit Fahrgestellnummer ins Baujahr „1985“, was ich aber (dito) nicht ganz glaube.

Die Kirschkern schielt natürlich auf die Farbe. Ich denke, Ihr wäre es am liebsten, das Ding erstmal umzulackieren oder bunt anzumalen. Vielleicht schielt sie auch auf das Ding an sich. Sie ist 14, wird bald 15 und dann natürlich auch irgendwann ein Jahr nochälter. Mit sechzehn dürfte sie sowas fahren. Aber nur mit Führerschein, welche „Klasse“ das heute ist, das weiss ich nicht. Damals wars die Klasse 4. Mit Rotkreuz-Kurs und Prüfung, an die ich mich keineswegs erinnere, nur daran, wie mit auf der Strasse gezogenen Handkarren umzugehen sei, oder mit Kutschen oder Pferden, vorfahrtstechnisch, und mit Rentnern ohne Rollator.

Einmal bin ich mit meiner blauen Vespa, die ich schon sehr bald „Bardulf“ getauft hatte, über Landstraßen nach Zürich gefahren. Einen ganzen Tag lang, via Schwarzwald. Um einen Freund mit Scheidungshintergrund der Eltern zu besuchen anlässlich irgendeines „Sommerkongresses für Psychotherapie“, das war ca. 1980. Man badete teils halbnackt im See zu Bob Marley und schaute v.a. nach den freizügigen Psychotherapeutentöchtern.

(und) Einmal war ich nach Grundremmingen gefahren zum dort naheliegenden Kernkraftwerk, um nach den Freundinnen der Betreibertöchter zu schauen, die mittlerweile komplettnackt in den Altwässern der vom Kraftwerk schön erwärmten Donau badeten.

/Und einmal noch war ich nach Deggendorf im Bayerischen gefahren. Auch dort waren es wieder die Baggerseen, jene Baggerseen. Aber der Berührungen waren zuviel, für mich in dieser Zeit, mit den Freundinnen der Töchter des Bürgermeisters oder Oberlehrers. Die sich rücklings von weither mit Mokick angereisten vermeintlichen Verehrern in wunderbar schamlosem Hautkontakt an Land tragen liessen, nächtens im Mondlicht im warmen Baggerwasser. Zur Empfängnis bereit, denke ich heute. Alles war da im Saft. Alles war so ungeheuer fruchtbar.

Ich hingegen wollte erstmal Vespa und vor allem Zeit, vielleicht auch hatte ich das alles noch nicht ganz verstanden, und auch wenn überwiegend ich mich für blöde hielt ob der ggf. unterlassenen sexy Gelegenheiten im nachhinein, es stimmte und war stimmig und ich vergaß nicht, mir meine Teile zu denken, zu legen und zu stellen. Für später. In München war dann Straßenmusik mit Blockflöte, die immerhin 34 Mark abwarf, genug fürs Gemisch 1:50 und die Rückfahrt.

Gemisch gäbe es immer noch an Tankstellen, sagt der Freund, und seine Frau betont, dass es EINE Zeichung sei als Preis fürs Gefährt und aber auch EINE, andersherum, für meine noch zu erledigenden Reparaturarbeiten als Folge ihrer Übereignung, sie demzufolge mir noch eine weitere, nämlich die zweite, abkaufen bzw. demzufolge erstatten/ankaufen müsse. Drauflegen. Und dann lacht sie dazu.

Sagte ja schon, gute Freunde. Mir fällt das vor allem jetzt ein, weil einen die Kinder ja immer am Kleinhirn kitzeln. Und die Kirschkern sich nun erheblich und unaufhaltsam jenem Alter nähert, aus dem die beschriebenen Dinge sich nähren.

Vespa also. Ehrlich in der Funktionsweise, klar in der Kommunikation. Dazu in der Formgebung heutesichtig genderneutral. Politisch noch aus Zeiten der geliebten Solidargemeinschaften. Persönlich subjektivistisch Teil meiner Prägung während der Hochzeiten des Beginns des Versuches von Meinungsvorgaben des Pillepalle-Mainstream. Irgendetwas ist wunderbar polarisierend an so einer Maschine. Und versöhnend gleichermaßen.

/Zunächst nun erstmal ein Reifenwechsel, das alles macht froh und schön aufgeregt. Und immer Schleifpapier in der Tasche wegen Zündkerze.

8 Gedanken zu „PK 50“

  1. Vielen Dank, Herr Speed! Vielleicht tucker ich damit ja mal in Richtung Süd-Ost durch oberschwäbische Weiten mit übereinandergeschlagenen Knien.

      1. Ach, Himmel wie schön! Gibts ja auch kaum noch auf den Strassen. Sie können mich dann mitnehmen, wenn ich irgendwo liegengeblieben bin, ja? Und mein nächstes Projekt ist dann ein Alfa oder ein kleiner Benz. Zeit meines Lebens habe ich immer nur „praktische“ Kfz gefahren (mit denen man z.B. alte Vespas irgendwo abholen kann…), irgendwann aber wird sportlich oder coupé reagiert werden, dann eben mit Hängerkupplung : )

  2. Ganz wunderbar, ich freue mich mit. Und zwar besonders auf die Fahrt ins Café Blauer Dunst, bremm bremm, und aber auch besonders über diese schönen, schön erzählten, Erinnerungen. (Fahre übrigens auch seit einer Weile mit Gemisch, also im Ergebnis, wenn Sie wissen, was ich meine).

    1. Danke, Herr Nnier, ja, das Café Blauer Dunst, hrhr, ich werde berichten, bremm-bremm, Boris, bremm! /Und jetzt haben Sie mir aber ein klopper Feierabendrätsel aufgegeben: Sie tuckern Hybrid? Oder wechseln zwischen Fahrrad, E-Bike und Diesel mit Gas zu Fuß? (Ich komm noch drauf!)

  3. Na ja, vor 25 Jahren trat ich morgens schnuppernd vors Haus und dachte, was mähen die denn auf einmal alle ihren Rasen, mitten im Okober – war dann aber bloß Wiedervereinigung. Ich weiß gar nicht, ob die Trabbis 1:25 oder 1:50 getankt haben, aber das kommt bei mir inzwischen auch ungefähr hin, bei jedem Tanken kann ich 2 Liter Öl nachkippen, die werden irgendwie mitverbrannt und ich kann endlich auch so ein blaues Fähnlein hinter mir herziehen.

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