Maerz

loewe

Dann war noch ein weiteres Taxenerlebnis, klein und diesmal wortlos am späten Abend. Ich bezahlte für den Halt in der Fontanestraße mit etwas Trinkgeld und wollte die letzten dreihundert Meter durch die Nacht mit Füßen gehen. Der düstere Taxiriese, ein mithin orientalischer Mittzwanziger im Muskelsaft und mit einer kühnen Ghettoglatze ausgestattet sowie allem, was einen selbst kaum weiter entfernt scheinen lassen könnte von diesem Lebensmodell, er kassierte und gab seine Wechselmünzen, um mich sodann schweigend bis direkt vor meine Haustüre zu fahren. Als kleines und stilles nächtliches kultur- oder klischeeumarmendes Geschenk? Oder hatte er diese Spreizung, die mir derzeit widerfährt, bemerkt und wollte mir einfach Gutes tun? Ich dankte es ihm und klopfte beim Aussteigen dreimal auf das Dach seiner Droschke. Wenn ich jemanden mag, dann klopfe ich ihm auf’s Dach, beim Aussteigen, das bringt demjenigen dann (in der Regel) Glück.

Nachmittags hatte ich mich nach der Übergabe der Schlüssel etwas hingelegt. Es war ein Tiefdämmern, in dem man bisweilen so schön fliegen kann. Da waren grüne Wiesen, Hänge, ein Haus und einige Schuppen und ein buntes Treiben aller meiner Lieben, auch wenn diese sich solcherart niemals treffen würden und der Kirschkern mittendrin. Wenn dann der Atem ins Kissen gedrückt seinen Rhythmus findet, vielleicht etwas zu schnell, dann mag vielleicht auch die Hyperventilation in’s Geschehen führen. Jedenfalls flog ich von hier nach da, mischte mich manchesmal ein in ausgelassene Gespräche, schlug kluge Versteckspiele vor oder pflückte einen Strauß Blumen, um ihn während grotesker und aberwitziger Luftmanöver zuletzt einer Geliebten zu schenken.

Am Mittwoch hingegen spritzte der Löwe erneut durch’s Gitter. Angesichts der gestrigen Ereignisse, kaum ein paar zweistellige Kilometer weit entfernt, konnte es nur ein kleines Rinnsal sein. Es ist ja immer entweder das große Kleine oder das kleine Kleine, was zum letztlich großen schwarzen Ereignis führt. Dieser Schwärze kann man nur immer und immer wieder das Licht entgegenschleudern und sei es dergestalt, dass man eben auch gelegentlich einmal zurückspritzt. Ich jedenfalls war froh und vor allem sehr dankbar, den Kirschkern abends wohlbehalten in seinem Bett zu sehen. Die Gedanken jenen Anderen. Demut ist keine alte Mode.

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