immer noch

Fragment:

„…da verwelken sie schon, diese ersten schneeglöckchen und die frühlingsvögel zwitschern bereits und jetzt rufen sie wieder „weg da, das ist eine fahrradstrasse!“, diese behelmten ebikefahrenden jackwolfskinrentner mit thiergartenkrankheit wegen zu dicker brieftaschen an den backen, marke entweder ich-hab-die-bundesrepublik-aufgebaut-als-du-noch-eingepullert-hast, oder, variante jackwolfskinfrührentner, ich-war-ITler-und-hab-abfindung-bekommen-ätsch und hochpreisige SUV-mamas marke ich-bin-mutter-ich-hab-meinen-volksauftrag-erfüllt versperren dir, weil sie immer noch nicht gelernt haben, mal bisschen zur seite zu treten oder einfach mal leiser zu reden über windeln anstatt laut, mit ihren SUV-kinderwägen ausgerechnet dann den gehweg, wenn du dem jackwolfskinwunsch zähneknirschend nachzugeben denkst, weil du (einfach) nicht mehr diskutieren willst und dir als kleine private dreingabe zur ablenkung überlegst, dass sie ja so weit gar nicht mehr weg ist, diese komische unverständliche rente, würde jetzt beispielsweise ein kind geboren, es wäre dann rechtzeitig zur arbeitsniederlegung zwölf jahre alt, du hättest also immer noch genug zeit, ihm ordentlich manieren und kinderstube beizubringen, bei den SUVmamas und den abfindungs-ITlern ists ja schon lang zu: spät.

die schwämmeln sich ihre wände ja immer noch lila.

und glauben immer noch, jeder mensch ist ein künstler.

und schmunzeln immer noch über seitens personal entfernte fettecken in museen und verschenken zu geburtstagen den originellen aufkleber „ist das kunst oder kann das weg?“, wahlweise das büchlein „kunst aufräumen“.

alles immer noch.

und fahren skoda (abfindung).

empören hat denken abgelöst, ist ja auch einfacher. auch ich werde mich ab jetzt aufs empören verlegen, denn nur, wenn ich mich empöre, bin ich nicht verlegen. die momentanen türken beispielsweise nerven. mehr noch, sie empören, ohne allerdings dabei verlegen zu werden.

wenn es aber nun diese abgehängten nicht hinbekommen, dann müssen es eben offenbar doch jene mysteriösen eliten richten, von denen alle munkeln. ich jedenfalls lasse mir mein europa und die welt nicht von ein paar blöden kaputtmachen, dafür sind einfach zu viele auch meiner vorfahren dafür gestorben.

das bin ich denen immer noch schuld.

was lernen wir daraus.

wen ich allerdings mag und bewundere, das sind die unermüdlich leisen, diejenigen, die eben immer noch einfach tun, auch die stillen sammler, die frauen (ein paar), ein paar männer (die leisen), oder bspw. sympathische hunde, wenn sie mich kurz ansehen und alles ist irgendwie klar. sachen: blitz-fix-schwämme, handcremes, die gleich einziehen, ölfarben, die sich nicht anbiedern, edle trockendampfgeräte aus italien mit akzentfrei weiblicher sprachsteuerung oder sachliche leute, die einem den vortritt lassen, selbst wenn man den gar nicht haben wollte.

und auch eine andere ära ging gestern gegen abend ohne vielklang zuende. überall gehen ja jetzt gerade ären zuende, immer noch, sogar am waldrand, wobei das internet an zwar vielem, aber nicht an allem schuld ist.“

8 Gedanken zu „immer noch“

  1. ich hab das Empören ersetzt durch Mitleid. Die „politischen“ Kindereien, sei es direkt vor einem auf der Straße, oder schlagzeilenaufbereitet im Netz, entbehren jeder wahrheitlichen Grundlage, denn allzu gerne werden Dreckhaufen vor der eigenen Türe vergessen, wird Schuld auf dem Zeigefinger transportiert und irgendwohin geschossen- machen wir doch täglich selbst. Die und wir meinen, eine Gerechtigkeit zu kennen und sie dem Anderen lehren zu können, was nichts als Unfrieden schafft. Auf Dauer. Mittlerweile sehe ich Erdogan als einen verzweifelten Menschen, der nicht einmal schnallt, dass Redeverbote in der EU seine dort wohnenden Wähler eher seiner irrsinnigen Idee zutreiben, als von ihm abwenden. Er bestreitet, dass das türkische Volk einen Völkermord an den Armeniern vollzogen hat –wir Deutsche stehen zu unserem Völkermord im Dritten Reich und zu der daraus resultierten Verfassung. Das sollte aufrecht gehalten werden, auch wenn es das Risiko birgt, deutsche Wähler zu polarisieren.
    Ich muss mir selbst jeden Tag sagen, dass ich nicht besser bin als der Übelste, mich selbst zurechtweisen in meinen Urteilen über Besser und Schlechter. Und weil ich weiß, dass ich einem System angehöre, dessen Regeln gegenüber ich loyal auftrete, nichts weiter als ein System ist, das mir gerade logisch und recht erscheint, am nächsten Tag nicht mehr sein könnte und meine Moral über den Haufen schmeißen könnte, habe ich Mitleid mit denjenigen, die an solch einer Grenze stehen und nichts sehen können.
    Mit herzlichen Grüßen!
    Nici

    1. Hm, größeres Mitleid kann ich nicht empfinden gegenüber Menschen in leitenden Positionen, die sich anmaßen, sich unverschämt und massiv in die Lebensentwürfe Anderer einzumischen. Ausserdem glaube ich nicht, dass sich „Moral“ als private Instanz gegenüber vielfältigen Weltanschauungsmodellen so einfach durch einen Systemwechsel über den Haufen schmeissen lässt. Bei den allzu erhobenen Zeigefingern geb ich Ihnen Recht. Und auch die unangebrachten Schadenfreuden bezüglich einer Gesamteskalation und die diversen Racheinstinkte sind mir zu wenig konstruktiv. Mir kommt es so vor derzeit, als freuten sich viele, endlich einmal wieder aus dem Bauch heraus formulieren und agieren zu dürfen, nach Jahrzehnten einer weisen (und in der Tat ja alternativlosen) Zurückhaltung und diplomatischer Vor- und Weitsicht. Das scheint vielen wohl zu kompliziert und ist manchem zu anstrengend. Umso schöner daher, wenn heute am Sonntag die Sonne scheint.

      1. Danke für Ihre Antwort. Und letztlich Ihren wichtigen Hinweis auf eine wärmende Sonne, die keinen Unterschied macht, auf wen sie scheint. Prinzipiell kann ich Ihrer Argumentation nichts entgegnen, denn verstandesmäßig haben Sie in meinen Augen recht. Aber wenn Sie sich z.B. die offizielle Verkündigung der IS auf deren Homepage durchlesen, werden Sie bestimmt ins Grübeln kommen, denn darin steht, dass das höchste Ziel die Ausgrenzung jedwelcher Minderheiten von westlichen Staaten ist. Ein perfides Rekrutierungsmodell aus Diskriminierten, das einige Schlüssigkeit besitzt. Denn deshalb auch gerne durchgeführt und hernach von Oben bekämpft bei hiesigen Betrieben, deren Belegschaft uneins mit der Chefetage ist. Einige haben begriffen, dass es nur demokratisch zugehen kann, wenn der Mob gespalten bleibt, aber das muss ein bewusster Prozess sein, indem es diskutierfreudig zugeht, außerdem muss der Chef souverän sein. Wenn der Prozess nicht auf Diskussionen basiert, sondern mittels Trieben geführt wird, wenn nicht weise Ratgeber hinzugezogen werden, wenn Impulsen statt Überlegungen gefolgt werden, entsteht das genaue Gegenteil. Eine gesunde Demokratie nährt sich aus Liebe und Souveränität gegenüber dem Volk und bringt ihnen bei, gelassen mit Konflikten umzugehen. Vor allem lässt man sie zu. Und wer sich Staatschef nennt und keine wirkliche Autorität besitzt, der hat mein vollstes Mitleid, weil er den falschen Posten innehat und deswegen Verzweiflungstaten begehen muss. Am liebsten würde ich zu ihm sagen (Trump, Erdogan ..): hör auf Dinge zu tun, die du nicht kannst. Aber in ihrer unpassenden Funktion sind sie höchst gefährlich, kapieren nichts und setzen zu ihren Zwecken, die weder Hand noch Fuß haben, manipulative Methoden zur Kompensierung ihrer Minderwertigkeit ein. Ich weiß nicht, aber ich kann nur Mitleid mit allen Beteiligten haben.

    2. Sicherlich verhält es sich irgendwie so, nur „Mitleid“ kann ich nur bedingt empfinden. Es muss ja keiner (Staatschef werden). Mein Mitgefühl gilt daher eher den Opfern jener aus Ihrer Sicht Zubemittleidenden.

  2. „und glauben immer noch, jeder mensch ist ein Künstler“ – passiert halt, wenn einer wie Beuys so was sagt. Geht man heutzutage in eine Bibliothek , nuckeln alle an Wasserflaschen rum. Weil man ihnen seit 20 Jahren sagt, sie sollen mehr trinken. Und wenn der Kapitalismus so gestrickt wäre, dass er auf Rücksichtnahme, Zurückhaltung und Höflichkeit fußte, gäb’s keine SUVs. Denke ich manchmal. Schöne Grüße!

    1. Mindestens 3 Liter, Querschnittgelähmte 6 Liter. Das weiss ich seit dem Zivildienst. Damals gab’s jedenfalls noch keine SUVs. Herzliche Grüße : )

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