7185

„Leidringen, 6.12.1948
Sehr geehrte Frau R.!
Für Ihre freundlichen Grüße und Wünsche danke ich recht herzlich. Mit Jubel und Freuden bin ich von meiner Frau und meinen 4 Kindern aufgenommen worden und das ganze Dorf hat seinen früheren Lehrer mit Liebe und Anteilnahme und Unterstützung jeglicher Art empfangen, so dass mir das Einleben und Erholen nicht schwer fallen wird. Es ist schon wie ein Gottesgeschenk, wenn man nach der langen Zeit wieder daheim sein darf.
Gerne beantworte ich Ihre Fragen. Leider war ich mit H. nur kurze Wochen zusammen und da auch nur in manchen Abendstunden nach Feierabend, so dass ich ihn nicht in allen Lebenslagen kennen lernte. Aber er hatte immer fröhliche, heitere Stimmung und ist sicher eine glückliche Natur, die sich in allen, auch schweren Situationen zurechtfindet. Gesundheitlich hat er nie geklagt. Er ist zwar kein Athlet und gehört schon längere Zeit der Arbeitsgruppe III (also nicht voll arbeitsfähig) an. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass die schlanken Menschen, die meist auch zäher sind, alle Entbehrungen und Strapazen viel leichter überwinden. Ich gehörte auch die längste Zeit der Gefangenschaft der Gruppe III an und habe mich trotz schwerer Arbeit immer ganz gut über Wasser gehalten.
Das Lager 7185 liegt zwischen Iwanowo und Kineschma (Wolga) etwa 350 km nordostwärts von Moskau und gehört zu einer großen Textilfabrik. Es wurde dort in erster Linie eine neue Stichbahn gebaut zur Erschließung eines Torflagers. Nebenbei gab es Arbeiten bei Hausneubauten, im Kolchos und auf den Kohlenhalden der Fabrik.
H. war bei einer Malerbrigade und musste dann vor der Revolutionsfeier Transparente malen. Das Lager sollte vor dem Winter geräumt werden, es ist also möglich, dass er sich jetzt im Hauptlager 7185 befindet. Dieses liegt bei dem Dörfchen Michailowo 8 km von der Wolga entfernt, etwa 40 km unterhalb Kineschma. Man sprach davon, dass nach uns (wir waren 300 Mann) noch 600 Gefangene in kürzester Zeit aus dem Lager abtransportiert werden sollten, und da H. ja nicht der SS oder SA angehört hatte, ist anzunehmen, dass er auch dabei ist.
Ich würde mich mit Ihnen freuen, wenn er noch zu Weihnachten ankommen würde. Wir waren 3 Wochen unterwegs und mussten in Deutschland noch 6 Lager durchlaufen. (…) Ich wünsche, dass Ihre Hoffnungen auf die Heimkehr recht bald in Erfüllung gehen und dass Sie mit Ihrem Sohn zusammen eine recht gesegnete Weihnachtszeit verleben dürfen. Die herzlichsten Grüße, Ihr K.W.“

6 Gedanken zu „7185“

  1. Mein Vater besitzt noch irgendwo die niedergeschriebenen Erinnerungen meines Großvaters an seine russische Kriegsgefangenschaft. Leider konnte ich es bisher nicht lesen, weil er es mir nie gegeben hat. Ich kenne aber die Geschichte von der Rückkehr meines Großvaters, als meine Großmutter, seine Frau, ihn nicht erkannte.
    Ich finde diese alten Familiengeschichten und Dokumente ja ungeheuer spannend, vor allem, wenn sie solche ungeheuerlichen Zeiten betreffen, die man selbst nie erlebt hat.

  2. Habe gerade dies Zitat entdeckt – auf der Suche nach den Stationen meines Großvaters während seiner russ. Kriegsgefangenschaft.
    Gibt es weitere Zitate zu diesem Lager 7185? Ich wäre interessiert, mehr zu lesen! Auch Austausch darüber möglich.

  3. REPLY:
    sehr geehrte/r lunilla, es gibt einen ganzen ordner mit korrespondenz aus dieser zeit. am besten, sie schicken mir eine mail, die adresse finden sie hier links oben unter ’schwere schlägerei‘. ich würde dann mal die briefe augenscheinen und ggf. berichten. beste grüsse, und es lebe das internet, was? :)

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